11 August 2006

Katastrophentourismus

Was für ein Tag. Ich musste mich heute dringend von den ermüdenden, langweiligen Verhandlungen mit Meister vk26 erholen. Stundenlang hatte er vor ein paar Tagen auf mich eingeredet. Schon nach den ersten Sätzen konnte ich ihm natürlich nicht mehr folgen, war ich doch tüchtig geschlaucht von einem harten Tag als Sklaventreiber in den Mühlen des Müller Repetitoriums. Als ich nach quälenden Äonen, in denen vk26’s Wortschwall auf mich eindröhnte, jedoch das Wort “Weltherrschaft” hörte, schreckte ich neugierig aus meinem Halbschlaf auf und wurde hellhörig. So sitze ich nun hier, zum Tippen verdammt, und mir ist immer noch nicht klar, ob nun ein Fall des §25 II StGB vorliegt oder ich hier nur nach §27 I StGB zu belangen wäre.
Ich werde den Fall wohl demnächst im Klausurenkurs stellen müssen.

Nachdrücklich der Kurzweil bedürftig hetzte ich also heute morgen an einen Ort der Schadenfreude und wohliger Häme (für mich), einen Ort der Qual, der Verzweiflung und des Entsetzens (für alle anderen) - mein Ziel war selbstverfreilich das GJPA in Berlin-Schöneberg. Dort finden nämlich zur Zeit die mündlichen Prüfungen des Referendarexamens statt. Als Student der Jurisprudenz darf man daran als Zuhörer teilnehmen, wohl eine weitere Maßnahme gegen die Juristenschwemme, herrscht doch Heulen und Zähneknirschen bei diesen furchtbaren Initiationsritualen.
Also hieß es für mich, flugs einem der eingeschüchterten Hörer bei Müller Rep den Studi-Ausweis abgenötigt und auf in’s Vergnügen!

Eigentlich eine ganz sinnvolle Sache, dieses Zuhören. Wüsste ich nicht schon alles, hätte ich sicher sogar etwas aus dem Prüfungsgespräch, das ich mit meiner Anwesenheit erhellt habe, lernen können. Ich selbst habe ja zu meiner Zeit gänzlich auf die mündliche Prüfung verzichtet. Heutzutage ist dieser Königsweg großer Geister natürlich nicht mehr möglich, obwohl sich hartnäckig gegenteilige Gerüchte unter den Lemmingen, Verzeihung, ich meine Hörern, bei Müller Rep halten. Aber alles Humbug!
Jeder muss durch “Die Mündliche”, wenn er in das Gesetz will.

Drollig ist es, mit anzusehen, wie sich dabei die selben Fehler immer wiederholen. Umso lustiger, wenn man bedenkt, dass es in den allerwenigsten Fällen mangelndes Wissen ist, das regelmäßig tiefe Furchen der Missbilligung in die Gesichter der Prüfer schlägt. Vielmehr finden sich fünf Typen üblen, überflüssigen Fehlverhaltens:

1. Die Prüflinge antworten nicht auf die gestellten Fragen, sondern greifen sich ein Stichwort heraus und halten einen freien Monolog. Oft quittiert das Publikum dies durch infantiles Kichern. Manchmal wird auch einfach nur faules Gemüse nach dem Übeltäter geworfen.

2. Die Prüflinge tasten sich nicht an die Lösung heran, sondern schleichen um das Problem herum, bis sie gegen eine Wand laufen. Auch das ist herrlich erheiternd!

3. Die Prüflinge meinen, im Justizsyllogismus sei die Reihenfolge von Obersatz, Untersatz und Subsumtion frei austauschbar. Verstöße gegen die Logik rächen sich still, aber entsetzlich.

4. Die Prüflinge zeigen Angst. Sie stottern, kippeln mit dem Stuhl in furchtsamen Ausweichbewegungen von den Prüfern weg, stammeln, stocken und schweigen. Aber es gibt kein Entrinnen.

5. Die Prüflinge merken sich den Sachverhalt nicht, fragen aber auch nicht nach. Oft beobachtet man auch, wie manche einfach nicht zuhören, wenn ihre Mitprüflinge sich abstrampeln. Das böse Erwachen kommt, wenn man dann das Ergebnis der Anstrengungen des Kommilitonen zusammenfassen soll.

Vieles davon ist einfach nur der Aufregung geschuldet. Denn so ein Fachgespräch mit Leuten, die sich, anders als Oma beim Nachmittagskaffee, nicht von hohlen Phrasen (“Dies ist nach Treu und Glauben schlechterdings unzulässig und daher ohne weitere Erörterung abzulehnen”) blenden lassen, kann einem sicher ganz schön an die Nieren gehen.
Deswegen erwäge ich, rechtzeitig vor den mündlichen Prüfungen der folgenden Kampagne Entspannungskurse, Yoga und Thaimassagen bei Müller Rep anzubieten. Gegen einen saftigen Aufpreis, versteht sich.

Suum cuique!

Ihr-
V. B. Müller

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2 Comments:

At 11:43 PM, Blogger vk26 said...

Herzlich willkommen im Blog, Herr Müller!
Gratulation zu Ihrem ersten Beitrag.

Es scheint ja ein recht ereignisloser Tag beim Türhüter gewesen zu sein, mit fünf Kandidaten, die des Eintritts in das Gesetz alles andere als würdig erscheinen.

Ob sie mit Nachhilfe beim Müller Rep besser dran gewesen wären? Wohl kaum. Denn wisse, es gibt viele Türhüter, einer immer mächtiger als der andere. Ich selbst kann nicht mal den Anblick des ersten ertragen.

Gibt es Speikübel in den Prüfungskammern vor dem Tor zum Gesetz?

 
At 9:38 AM, Blogger Herr V. B. Müller said...

Speikübel? Nein. Jeder Kandidat bringt eine Reisetasche, ein Ziehköfferchen oder einen Rucksack für diesen Zweck mit. Ich habe aber auch eine verwirrte Person gesehen, die tatsächlich einen geflochtenen Korb dabei hatte. Da suppt doch alles durch, wie peinlich.

 

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